Blog prof. René Prêtre
MISSION MOSAMBIK 2018, 19. MAI
Post by René Prêtre
8 Uhr
Playlist: Eine Supertramp-Compilation.
Gestern Abend haben wir auf einer Terrasse am Strand gegessen. Eine Musikgruppe spielte – die Sängerin hatte eine wundervolle Stimme –, die Stimmung war fantastisch. Es gab von allem: energiegeladene, mitreissende, aber auch nostalgische Melodien. Wir erlaubten uns Ausgang bis Mitternacht. Es war schwierig, dem Entschluss treu zu bleiben, denn es lag auf der Hand, dass sich hier unter den Lampions der Abend bis in die frühen Morgenstunden hinziehen würde.
Heute der Endspurt. Wir hatten zum Abschluss einen einfachen Fall vorgesehen – die Idee war, die Mission unbeschwert und entspannt zu Ende zu bringen –, aber die Umstände wollten es anders. Gestern mussten wir noch ein Kind in unser Programm aufnehmen; das Kind war blau, sogar dunkelblau angelaufen und atmete schwer. Der einfache Fall wird nächste Woche von Sozinho operiert.
Er kümmert sich ausserdem auch um die postoperativen Behandlungen. Er sieht die Patienten noch Jahre nach den Eingriffen und er versammelt diejenigen, die wir operiert haben, regelmässig im Eingangsbereich der Abteilung, wenn wir da sind. Das ist immer ein sehr spezielles Gefühl, die Kinder nun so gross zu sehen (einige wurden schon vor über zehn Jahren operiert), und oft stellt sich dabei die Frage: Was wäre ohne unseren Eingriff aus ihnen geworden?
Ein flüchtiger Blick «in Yanns Welt»: Das Kind schläft. Sozinho hat soeben mit der Desinfektion begonnen. Supertramp müssen ihr Konzert kurz unterbrechen.
12 Uhr
Normalerweise Halbzeit.
Aber heute werden wir auf unserer rasanten Fahrt brüsk gestoppt. Die kleine Mirley hat plötzlich einen Kreislaufkollaps erlitten: Ihr Blutdruck ist unvermittelt zusammengebrochen und die Blutzirkulation fast zum Stillstand gekommen. Es stimmt, sie hatte mehr Mühe beim Atmen heute Morgen, und ziemlich sicher ist aufgrund einer Lungenkomplikation der Sauerstoff im Blut gesunken und hat so diesen Kollaps herbeigeführt. Sofort beginnen wir mit der Reanimation. Die Kleine wird narkotisiert, um den Bedarf des Organismus zu reduzieren, und intubiert, um den Sauerstoffgehalt in ihrem Blut zu verbessern. Von neuem müssen venöse und arterielle Katheter gelegt werden (es wurde alles schon entfernt), um ihr Monitoring sicherzustellen. Bei den Kleinen kann das ein bis zwei Stunden dauern.
Ausserdem bekommt sie das letzte Beatmungsgerät. Wir haben momentan kein anderes mehr frei und so können wir unseren letzten Patienten nicht kommen lassen. Er wird fasten müssen, bis sich die Situation hier geklärt hat. Wenn im Laufe des Nachmittags ein Bett mit dem notwendigen Equipment frei wird und Mirley stabil bleibt, könnten wir einen Teil unserer Kräfte im Operationssaal für diese Korrektur aufwenden.
Fortsetzung folgt …
In der Zwischenzeit lege ich Mirleys Oberschenkelarterie frei (wir haben es nicht geschafft, mittels Punktion einen Arterienkatheter zu legen), um sie unter Sichtkontrolle zu kanülieren, so dass wir ihren Blutdruck «on-line» überwachen und regelmässig die Sauerstoffsättigung des Blutes kontrollieren können.
14 Uhr
Yann, Guillaume und Julie vollbringen Wunder. Sie haben nicht nur Mirley stabilisieren können, sondern auch ein Bett mit dem notwendigen Equipment für die Überwachung freigemacht. Evelyne, unsere Abgesandte, wird das letzte Kind für die Operation holen.
17 Uhr
Die letzte Operation dieser Mission ist vollbracht, die letzte Naht genäht und ich kann meine Handschuhe ausziehen. Ich erkläre also die «Mission Maputo 2018» – mit der Feierlichkeit eines Olympia-Präsidenten – für beendet, ich weiss aber auch, dass ein Teil der Arbeit auf der Intensivstation noch zu leisten ist.
Das ganze Team hat gelacht. Kurz nachdem das letzte Kind auf die Intensivstation gebracht wurde, treffen wir uns im Operationssaal, um noch ein paar Erinnerungsfotos zu schiessen. Diese Gruppenbilder mit dem lauten Lachen, dem Victoryzeichen und den Wellen lassen an die Übergabe des WM-Pokals denken. Fehlt nur noch der Konfettiregen.
Vor der Rückkehr ins Hotel werfen wir einen letzten Blick auf Mirley: Sie erholt sich langsam von diesem Schock. Es darf jetzt nichts überstürzt werden, sie muss in ihrem eigenen Tempo wieder in die Gänge kommen.
Ich begebe mich ins angrenzende Restaurant, um ein paar Zeilen zu schreiben, und nun können Supertramp ihr Konzert fortführen.