Blog prof. René Prêtre
MISSION KAMBODSCHA 2018, 31. OKTOBER
Post by René Prêtre
8 Uhr
Wieder eine Nacht mit Intervallschlaf. Das Aufstehen fällt mir heute Morgen besonders schwer. Als ich zum Frühstück erscheine, ist es bereits Zeit, loszufahren. Ich verschlinge noch schnell ein Stück Brot und trinke einen sehr starken Kaffee. Die Visite auf der Intensivstation geht schnell, die Nacht war ruhig und alle unsere Frischoperierten sind stabil. Der Fall des heutigen Tages ist aber quasi eine Première. Wir müssen eine sogenannte Fontan-Operation vornehmen – diese wird nur in Extremfällen gemacht. Dieses Operationsverfahren, das wir zu Anfang des Missionsprogramms stets ablehnten, kann, dank der erreichten Qualität, heute hier stattfinden. Das Kind wurde bereits einer ersten Vorbereitungsoperation unterzogen und ist aussergewöhnlich blau – dies bedeutet, dass der Sauerstoffgehalt überaus tief ist. Ich erwarte eine schwierige Operation mit starken und blutigen Adhäsionen.
15 Uhr – die Fontan-Operation ist abgeschlossen … aber sie war kompliziert!
In der Tat zeigte das Kind zusätzlich zu den ausserordentlich schwierigen Adhäsionen eine sehr spezielle Anatomie mit einer Lageanomalie einiger Organe. So befindet sich zum Beispiel ihre Leber auf der linken Seite, so wie das Herz. Dadurch entsteht eine komplizierte Lage, da sich die untere Hohlvene, die das Blut aus der unteren Körperhälfte und der Leber zum Herzen führt, in einer fast unerreichbaren Position befindet. Nach fünfstündigem Kampf konnten wir die Operation endlich abschliessen. Zum Glück waren die Götter auf unserer Seite, und wir konnten das Kind ohne Probleme von der Herz-Lungen-Maschine nehmen – mit dem richtigen Druck, gutem Herzzeitvolumen und einem normalen Sauerstoffgehalt im Blut. Diese Operation wird das Leben dieses Kindes definitiv verändern.
Während wir auf den nächsten Fall warten, begebe ich mich zum Materialraum. Aurélie liegt, blass wie ein Leintuch, auf einem Bett. Mir wird mitgeteilt, dass sich zwei oder drei Personen des Teams schlecht fühlen, mit Übelkeit, Erbrechen und Bauchweh. Auch ich selbst habe bereits einige Bauchkrämpfe verspürt, aber diese wurden von der für die Operation notwendigen Konzentration und den Anstrengungen buchstäblich unterdrückt. In diesem Moment sind sie wieder da. Man bietet mir ein Sandwich an, das ich aber nicht runterbringe. Ich bitte Yann, mit dem zweiten Fall noch etwas zuzuwarten, bis wir sicher sind, dass alle auf der Intensivpflege stabil sind – vor allem aber bis unsere frisch operierte Patientin keine Blutdruckspitzen mehr aufweist.
18.30 Uhr
Der zweite Fall verlief relativ schnell und problemlos. Ladin hat in Anwendung meiner persönlichen Technik operiert. Eine gegenüber den Büchern etwas vereinfachte Technik. Er war begeistert – natürlich von dem Resultat, vor allem aber von der eleganten Vorgehensweise. Die Visite auf der Intensivstation ist erhellend: Das Kind, das uns heute Morgen so viele Probleme bereitet hat, zeigt sich wirklich gut, es ist ziemlich stabil und auch all seine hämodynamischen Parameter sind stabil. Wir können zurück ins Hotel fahren ohne uns Sorgen zu machen, und nach diesem langen Tag versuchen, etwas zu essen.
22 Uhr
Ich fühle mich tatsächlich den ganzen Abend schon richtig elend, rund die Hälfte des Teams hat sich bereits dem Klub angeschlossen, teils mit unstillbarem Erbrechen. Vermutlich haben wir uns eine Lebensmittelvergiftung zugezogen, und so versuchen wir, den Übeltäter ausfindig zu machen, indem wir die Speisen von gestern Abend durchgehen. Allem Anschein nach wurden alle diejenigen heute Abend von Übelkeit heimgesucht, die das blutige Steak gewählt hatten. Ich selbst kann gar nichts mehr zu mir nehmen. Ich trinke einen Tee (den zweiten dieses Jahr!) und entscheide mich, trotz der immer noch stechenden Übelkeit, schlafen zu gehen.