Blog prof. René Prêtre
Mission Kambodscha 2019, 30. Oktober
Post by René Prêtre
Mittwoch, 30. Oktober
8.30 Uhr
Visite auf der Intensivstation: Die Kinder sind stabil und alles ist im grünen Bereich. Der Aufenthalt auf der Intensivpflege wird für sie aufgrund des komplexen Krankheitsbildes etwas länger ausfallen als normal. Dies ist aber nicht weiter schlimm; das Wichtigste ist, dass sie eine gute Korrektur erhalten und keine Komplikationen aufweisen. Nach diesem kurzen Aufenthalt wird für sie alles paletti sein.
Seit gestern sind Dr. med. Denis Laurent, der Verwaltungsdirektor der Spitäler der Stiftung Kantha Bopha, sowie Professor Dr. med. Chantana, der Generaldirektor des Kinderspitals hier in Siem Reap, zu Besuch. Wir haben diese Gelegenheit dazu genutzt, eine Bestandesaufnahme der Kardiologie und der Kardiochirurgie in Kambodscha zu machen und Bilanz zu ziehen. Die Neuigkeiten sind erfreulich: Nicht nur wird hier in Siem Reap hart gearbeitet, im August dieses Jahres konnte in Phnom Penh ein neues Herzzentrum eingeweiht werden. Bis zum heutigen Tag haben die Chirurgen von Siem Reap (in regelmässigen Turnussen auch in Phnom Penh) insgesamt 98 Herzoperationen durchgeführt! Heute sind ein Journalist und eine Fotografin der Schweizer Illustrierten hier, um das Spital zu besuchen. Die Zeitschrift hat Beat Richner in seinen Projekten und in seinem unermüdlichen Engagement stets enorm unterstützt. Denis empfängt sie und zeigt ihnen die Abläufe im Spital. Im Handumdrehen landen sie auch schon in der Kardiologie.
13.30 Uhr
Wir verlassen den Operationssaal. Das war eine heikle Operation, die Ladin mit Meisterhand führte. Das Kind litt an zwei Fehlbildungen des Herzes. Beide benötigten eine separate Korrektur; das heisst, es mussten zwei Eingriffe in einer Operation vorgenommen werden. Das Herz des Kindes war sehr schwach und die Blutzirkulation stark verringert, so dass es nicht erstaunlich ist, dass der Junge in seinem Wachstum stark zurückliegt – er bringt im 10. Lebensmonat weniger als fünf Kilo auf die Waage. Mit seinem neuen Herz wird sein Leben anders sein, wir hoffen, dass er seinen Rückstand gänzlich oder wenigstens grösstenteils wieder aufholen kann.
Im Saal gegenüber dem Operationssaal ist Essenszeit. Das heisst, es gibt hier wie immer Sandwiches mit Pommes Frites und Ketchup. Aber da die Auswahl an Sandwiches gross ist und sie sehr gut sind, wird man ihnen trotzdem nicht leid. Eine Flasche Wasser (33cl, nicht 1l) für die nächste Operation und wir sind bereit, den zweiten Fall in Angriff zu nehmen.
18.30 Uhr
Dies war ein langer Marathon heute Nachmittag, um diese schöne Korrektur zu erreichen. Diese Operation war genauso komplex wie die von heute Morgen. Die Lungenarterien waren so stark unterentwickelt, dass die Haut des Kindes infolge des Sauerstoffmangels im Blut bisher immer ganz dunkelblau war. Für uns bedeutete dies, dass die beiden Lungenarterien auf der ganzen Länge von dem einen Lungenflügel zum anderen aufgetrennt und mit einem Patch erweitert werden mussten. Den Patch stellten wir aus der feinen, das Herz umhüllenden Membran, dem Herzbeutel, her. In Anbetracht der Fragilität der Gefässe (so fein wie Zigarettenpapier) konnte dazu nur eine ganz feine Nadel und ein ganz feiner Faden verwendet werden, und die Stiche mussten mikroskopisch klein sein. Jetzt hiess es für Ladin und mich Akkordarbeit, um diese Erweiterung durchzuführen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: die Arterien sind schön gross und gleichmässig geworden. Jetzt mussten sie noch mit dem Herz verbunden werden – eine weitere langsame und gewichtige Arbeit. Das Ausschalten der Herz-Lungen-Maschine verlief jedoch reibungslos. Unsere neuen Gefässe dehnten sich fröhlich aus und durchbluten von nun an die Lunge wieder – ganz zu unserer Zufriedenheit. Endlich färbte sich das Kind auch langsam wieder rosa (zumindest einmal die Lippen und Nägel). Da der Operationsbereich beim Schliessen der Wunde «trocken», also ohne verbleibende Blutungen, war, wird das Kind bestimmt einen ruhigen Abend und eine ruhige Nacht verbringen.
Heute Abend überkommt mich die Müdigkeit – wie gestern und auch vorgestern – und so bleiben wir in der Nähe des Spitals.