Blog prof. René Prêtre

Okt 29 2018

MISSION KAMBODSCHA 2018, 29. OKTOBER

Post by René Prêtre

Okt 29 2018

Montag, 29. Oktober – 7 Uhr

Das Schrillen des Hoteltelefons reisst mich aus dem Schlaf.
Ein paar Sekunden lang fühle ich mich etwas orientierungslos: Das Weckgeräusch ist anders, das Licht so orangefarben, die Einrichtung ungewohnt. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich zurechtzufinden, mich daran zu erinnern, dass ich in Kambodscha bin – und vor allem, dass es bestimmt schon spät ist. Ich nehme den Hörer: «Kommen Sie? Wir warten auf Sie!»
Ich gebe mir einen ersten Ruck: «Ja, ich komme. Geht schon mal los und fangt ohne mich an.»
Ich ziehe mich aus dem noch von Schlaf beladenen Bett. Dies ist das klassische Aufwachszenario, wenn mir die Lider in einer fast schlaflosen Nacht erst um 4 Uhr zugefallen sind. Und dann … stelle ich fest, dass ich vergessen habe, meinen Handywecker einzuschalten. Schnell schlüpfe ich in meine Kleider, stürme aus dem Hotel und begebe mich schnellstens zum Konferenzraum.

Am Spitaleingang wartet bereits das gesamte Personal. Nach der Begrüssung führen sie mich zum Beat-Richner-Memorial, das sie gerade für ihn bauen. Gleich beim Eingangsbereich befindet sich auch ein Andachtsraum. Es freut mich wirklich sehr, dass Beat Richner noch immer so präsent und die Erinnerung an ihn unvergänglich ist.

La chapelle ardente à la mémoire de Beat Richner.

Zum Gedenken an Beat Richner

Der Konferenzraum ist wie immer zum Bersten voll. Da sie wussten, dass ich bald kommen würde, haben sie gewartet. Wieder wird eine Reihe beeindruckender Zahlen und Fakten zu Aufnahmen, Operationen und erbrachten Versorgungsleistungen präsentiert. Sie legen uns die Scans der komplexesten Fälle vom Wochenende vor. Ich behalte den von einem zweijährigen Mädchen, das mit einer Tibiafraktur, die es sich beim Sturz von einem Motorrad zugezogen hatte, eingeliefert wurde und zusätzlich einen riesigen Perikarderguss aufweist. Der Thoraxscan ist beeindruckend. Sie gestehen uns in aller Vertraulichkeit: «Wir haben eine Perikarddrainage eingelegt. Das Volumen betrug 500 ml.»
Ein anderes Kind – ein Jugendlicher – wurde ebenfalls Opfer eines Verkehrsunfalls und erlitt dabei ein Schädeltrauma. Auch wenn meine Erfahrungen in Traumatologie inzwischen ziemlich weit zurückliegen, bin ich trotzdem imstande, ein beunruhigendes cerebrales Ödem zu erkennen. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern bestätigt mir meine zurückhaltende Prognose für dieses Kind.

Nach dem Rapport erörtert Ladin mir ausführlich die für den Tag vorgesehenen Fälle: eine kritische Pulmonarstenose bei einem ganz kleinen Kind und eine Fallot’sche Tetralogie.
Danach betreten wir die Intensivstation. Diese ist voll und es piepst aus allen Ecken. Nach Beendigung der Tour versichert mir David:
«Das wär’s für das Programm von heute. Einige der Kinder können aufs Zimmer gebracht werden. Oft machen die Kinder, denen es am besten geht und die Intensivstation bald verlassen können, den grössten Lärm. Und da der Lärmpegel heute Morgen besonders hoch ist, sollten wir einige Betten freigeben können.»

Premier contact avec les soins intensifs - bien occupés.

Erster Kontakt mit der – gut besetzten – Intensivstation

Was mich am meisten beeindruckt, ist die enorme Leistung, die dieses Team erbringt. Sie operieren zurzeit zwei Kinder am Tag und planen, die Zahl auf täglich drei Operationen zu erhöhen. Ihr Operationsvolumen hat das unsere bereits überholt. Wenn sie in diesem Rhythmus weiterfahren, wird es bald soweit kommen, dass sie Missionen bei uns ausführen.
Wir beginnen nun unsere Mission mit der Operation einer valvulären Pulmonalstenose: Die Klappenöffnung ist sehr begrenzt, was auf der oberen Seite einen Blutstau hervorruft und unterhalb das Herzzeit-Volumen verringert. Auch wenn das Kind nur drei Kilogramm wiegt, dürfte die Operation nicht so kompliziert sein, also assistiere ich Ladin, der den Eingriff vornimmt.

Une échocardiographie pour confirmer le diagnostic et la mission peut commencer.

Mittels einer Echokardiographie kann die Diagnose bestätigt werden und die Mission beginnen.

17.30 Uhr

Ladin hat beide Operationen vorgenommen. Die erste verlief ohne Probleme, die zweite gestaltete sich etwas komplizierter. Die Pulmonalarterien des Kindes mit der Tetralogie waren derart unterentwickelt, dass ein langwieriger Wiederaufbau nötig wurde. Eigentlich hatten wir noch ein drittes Kind eingeplant, aber angesichts der späten Stunde – und der verstärkten Überwachung, die durch unsere letzte Operation nötig wurde – haben wir entschieden, diesen Fall um einen Tag zu verschieben.

Ladin en vitesse de croisière.

Ladin in Fahrt