Blog prof. René Prêtre

MISSION MOSAMBIK 2024, 29. MAI
Post by René Prêtre

Morgenprogramm
Der frühe Morgen verläuft ruhig. Der Besuch auf der Intensivstation ist schnell erledigt, denn allen unseren Patienten geht es gut: keine offenen Punkte, keine Komplikationen, alles läuft gut.
Wir beginnen mit der ersten Operation des Morgens, unserem letzten als sehr schwierig eingestuften Fall. Die Diagnose: «PA-VSD-MAPCAs». Eine komplizierte Bezeichnung für eine Pathologie, deren Korrektur sich als komplex erweist und deren Prognose manchmal ungewiss ist.
Die letzte Kanüle wurde gerade gelegt und wir waren bereit, die Klemmen zu lösen, um die Herz-Lungen-Maschine zu starten, als Beatriz im Operationssaal auftauchte:
- Herr Prêtre, wir haben gerade einen 19-jährigen Mann mit Endokarditis an zwei Herzklappen als Notfall eingewiesen. Er ist ganz schlimm dran. Ich weiss nicht, ob wir ihm noch helfen können. Könnten Sie nach dieser Operation zu ihm?
- Ja, natürlich, habe ich ihr geantwortet. Ich nehme an, dass er nüchtern ist. Er soll so bleiben, wenn er noch nicht intubiert wurde, wir entscheiden dann am frühen Nachmittag.
Ich habe mich dann wieder auf die laufende Operation konzentriert, die wirklich sehr gut verlaufen ist. Im Laufe des Eingriffs sah ich die gute Entwicklung des Durchmessers der Lungenarterien und war überzeugt, dass das Lungennetz das gesamte Herzzeitvolumen aufnehmen würde und ich so die beiden Kreisläufe (die über ein «grosses Loch» zwischen den Ventrikeln kommunizieren) trennen konnte. Deshalb entschied ich mich für eine vollständige Korrektur statt nur einen palliativen Eingriff (zur Vorbereitung der endgültigen Korrektur), wie wir bei der präoperativen Besprechung geplant hatten. Der Übergang aus dem extrakorporalen Kreislauf bestätigte meinen Eindruck: Die Blutdrücke waren gut, die arterielle Sättigung ausgezeichnet. Bei der Echokardiographie zeigte das Herz eine ausreichende Kraft und eine gute Hämodynamik. Da alles sehr stabil war, verliess ich den Operationssaal vorzeitig – lange vor dem Ende des Eingriffs – und liess Soziñho die Operation zu Ende führen, was ich sehr selten tue.
Ich rief Beatriz und wir gingen zu dem jungen Patienten, der als Notfall eingeliefert worden war.
Das Echokardiographiegerät wartete bereits am Fussende seines Bettes auf uns. Der junge Mann atmete mit Mühe. Er war schläfrig und reagierte kaum auf unsere Fragen. Seine Extremitäten waren kalt, wie gefroren. Die Ergebnisse der Bluttests, die gerade zurückkamen, zeigten Anzeichen einer schweren Infektion und ein komplettes Nierenversagen: Die Nieren waren durch die Infektion blockiert. Beatriz setzte daraufhin ihre Echokardiographiesonde am Brustkorb an. Sofort sahen wir die Mitralklappe und die Aortenklappe (die beiden wichtigsten Klappen), die teilweise zerstört waren und den Blutfluss nicht mehr halten konnten. An diesen beiden Klappen kam es zu einem extrem starken Rückfluss des Blutes, was den langsamen Blutfluss und den Sauerstoffmangel im Körper erklärt, die wiederum zu Schläfrigkeit und Kälte beim Patienten führen und zur Blockierung der Nieren beitragen. Auf diesen Klappen schwammen noch bedeutende Vegetationen, wie kleine Kohlköpfe, die von den Klappensegeln hin- und herbewegt wurden. Sie waren brüchig und fragil und einige Fragmente hatten sich sicherlich bereits gelöst und die umliegenden Regionen erreicht. Diese Embolisationen können massive Schlaganfälle verursachen, die jegliche Lebensqualität zerstören. Ohne schnellen Eingriff würde sich diese Entwicklung fortsetzen.
Ich schaue Beatriz an, die befürchtet, dass wir wahrscheinlich zu spät kommen und dass wir für diesen jungen Mann nicht mehr viel machen können. Ausser dafür zu sorgen, dass er in seinen letzten Stunden nicht leidet. Das flüstert sie mir zu, damit die anderen ihre Bedenken nicht hören. Vielleicht hat sie recht … Aber mein Chirurgenblick erkennt zwei Dinge: einen noch recht kräftigen Herzmuskel und eine Infektion, die auf die Klappensegel beschränkt bleibt und noch nicht den Ring erreicht hat. Die Herzklappen des Patienten müssen ersetzt werden, das steht fest, aber im jetzigen Zustand ist das möglich. Der Ersatz der Klappen in Kombination mit dem noch gesunden Ring ist hier in Maputo technisch machbar, ohne aussergewöhnliche Mittel zu benötigen, über die wir nicht verfügen. Mir ist durchaus bewusst, dass das Operationsrisiko enorm hoch ist, es liegt in der Grössenordnung von «fifty-fifty», also 50 Prozent. Ohne Operation beträgt das Risiko jedoch 100 Prozent und das Ende schnell vorabsehbar. Ich wende mich an Beatriz und sage: «Er ist erst 19 Jahre alt und ich glaube, dass wir eine kleine Chance haben, ihn zu retten. Ich schlage vor, dass wir es versuchen.»
Ich spüre ihre Erleichterung. Vielleicht hatte sie dies auch in Betracht gezogen, aber nichts gesagt aus Angst, von uns Chirurgen oder unseren Kollegen auf der Intensivstation wegen der langen, schwierigen und anstrengenden Arbeit, die damit verbunden sein würde, abgewiesen zu werden.
Ein anderer Faktor spielt für mich heute in Maputo keine Rolle mehr: Einen solchen ungeplanten Eingriff in das bestehende Programm aufzunehmen, ist heute weniger problematisch als zu Beginn unserer Einsätze. Damals hatten wir immer ein schlechtes, fast schuldiges Gefühl, wenn ein Kind, dessen Eingriff geplant war, aus dem Operationsprogramm herausgenommen werden musste. Denn es war nicht sicher, ob wir das Kind im darauffolgenden Jahr wiederfinden würden, um ihm eine neue Chance zu geben. Eine Chance, die wir ihm bereits in Aussicht gestellt hatten. Das ist heute nicht mehr so und ich weiss, dass sich unter den sechs Kindern «in unserem Wartezimmer», die bis zum Ende dieser Mission noch auf dem Programm stehen, eines befindet, das nach unserer Abreise vom Team von Soziñho sicher operiert werden kann. Ich lasse mich also auch auf diesen Eingriff ein, weil der Patient nicht den Platz und die Chance eines anderen Kindes einnimmt.
18.00 Uhr
Die Operation dieser «Endokarditis mehrerer Klappen» verlief gut. Zu Beginn betrachtete ich die Klappen eine gute Viertelstunde lang genau, um die Möglichkeit einer Reparatur zu prüfen. Doch leider war ihr Zustand zu schlecht und die verbliebenen Gewebe zu brüchig, um dies in Betracht ziehen zu können. Deshalb habe ich mich, wenn auch ungern, für einen Klappenersatz entschieden. Es ist uns gelungen, zwei gut dimensionierte Prothesen einzusetzen, die dem Patienten trotz allem eine sehr gute Lebensqualität gewährleisten werden. Mit Freude stellte ich fest, dass die Ringe der beiden Klappen noch nicht von der Infektion befallen waren und die Nähte gut hielten. Das ist wichtig, um eine erneute Infektion auf den Prothesen zu vermeiden, die diesmal definitiv tödlich verlaufen würde. Die Wiederaufnahme des Herzschlags und das Wiedererlangen der Kraft des Herzmuskels waren etwas langwierig. Aber nach 15 bis 20 Minuten normalisierte sich der Rhythmus und das Herz konnte die Blutzirkulation nach und nach ohne die Hilfe der Maschine gewährleisten. Auch hier war ich zufrieden, denn meine Vorhersage in diesem Punkt hat sich als richtig erwiesen. Mit dem Gefühl, unsere Pflicht erfüllt zu haben, schlossen wir den Brustkorb wieder: Wir haben unsererseits alles getan, um diesem jungen Menschen eine neue Chance zu geben. Leider haben wir nicht alle Karten in der Hand. Nun liegt es an ihm. Wenn die Infektion (mit der Beseitigung der infizierten Klappen) wie von mir erhofft endgültig beseitigt würde, wenn keine septischen Embolien das Gehirn erreicht haben und wenn die Nieren nicht zu sehr gelitten haben und ihre Funktion wiedererlangen, ist die Prognose des Patienten gut. Das sind viele Bedingungen. Wenn jedoch die Sepsis anhält, der Aufwachprozess nicht gut verläuft, wenn die Nieren blockiert bleiben und eine Dialyse benötigen … Dann bedeutet das, in diesen Ländern … mit diesen Mitteln …
Etwas später treffen wir uns mit Beatriz und den Anästhesisten im kleinen Saal, um das weitere Programm zu besprechen. Wir setzen uns eine etwas verrückte Herausforderung: An einem der letzten beiden Tage werden wir drei Operationen durchführen und so alle für diese Mission vorgesehenen Kinder behandeln, zusätzlich zu unserem Notfallpatienten.