Blog prof. René Prêtre

Dez 03 2017

Mission Kambodscha 2017, 2. – 3. Dezember

Post by René Prêtre

Dez 03 2017

Samstagabend/Sonntag, 2./3. Dezember 2017

Reise von Zürich nach Siem Reap.

Das gesamte Team traf sich am Bahnhof Lausanne, um gemeinsam mit dem Zug zum Flughafen Zürich zu fahren. Wir verliessen also das Lavaux, das wegen des Sees immer etwas wärmer ist als die angrenzenden Regionen und das deshalb noch immer in Herbstfarben leuchtete, und konnten, als wir aus dem Tunnel kamen, den Schnee bestaunen, der die Landschaft bedeckt und die Städte bepudert hatte. Yann hatte sich zum Organisator ernannt und deckte uns mit Proviant ein: Brot, Trockenfleisch, Käse und eine Flasche Malbec (Yann ist ein Eklektiker) verkürzten unsere Reise massiv, denn kaum hatten wir unsere Vorräte «verputzt», kamen wir schon am Flughafen Kloten an. Hier mussten wir erst die klassischen Sicherheits- und Zollkontrollen durchlaufen, bevor wir uns dann am Ende des Abends ins grosse Flugzeug nach Bangkok zwängten.

Le train Lausanne-Zurich. Yann, Yann, David et Stéphanie. Patrick en arrière-plan.

Im Zug von Lausanne nach Zürich. Yann, Yann, David und Stéphanie. Im Hintergrund: Patrick

Wie jedes Mal wurde mein Schlaf auch in dieser Flugnacht immer wieder unterbrochen. Meine Uhr hatte ich auf Schweizer Zeit gelassen, und ab 2 Uhr morgens konnte ich nicht aufhören, an diese berühmte Herz-OP-Premiere zu denken (überhaupt die grosse medizinische Premiere): die erste Herztransplantation. Diese fand auf den Tag, auf die Stunde genau vor 50 Jahren in Kapstadt in Südafrika statt. In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1967 zwischen 2.20 Uhr und 6.13 Uhr wurde diese grosse Premiere von Christiaan Barnard durchgeführt. Innert weniger Stunden ging die Neuigkeit um die Welt und Barnard wurde zum absoluten Helden erklärt. Er hatte so etwas wie einen Bann gebrochen – die Transplantation eines Herzens, dem Sitz der Gefühle, die Verbindung zur Seele, war bisher ein Tabu, das nicht entweiht werden konnte – hauptsächlich aber war es ein wunderbarer Hoffnungfunke für Tausende Patientinnen und Patienten mit einem schwachen Herzen. Gegen 3 Uhr sagte ich mir: «Um diese Zeit müsste das neue Herz ungefähr aus dem Thorax genommen und die etwa 15 Meter Flur hinuntergebracht worden sein, um dort durch das Entfernen des kranken Herzen entstandene riesige Loch wieder auszufüllen.» Und gegen 5 Uhr: «Jetzt müsste es wieder zu schlagen angefangen haben.» Die Anspannung in den beiden Operationssälen war bestimmt mehr als nur spürbar gewesen und auch das Gefühl, Geschichte zu schreiben, musste in der Luft gelegen haben.»

Ich kam nicht umhin, darüber zu sinnieren, dass die Durchführung einer solchen herausragenden Operation in Kambodscha auch in den nächsten Jahrzehnten nicht möglich wäre. Und dies hat auch seine Gründe: Bevor überhaupt an Prestige-Chirurgie gedacht werden kann, müssen die Grundprobleme gelöst werden. Ich weiss, in Siem Reap werden wir wieder etwas auf die Erde zurückgeworfen, mit Operationen, die zwar weniger Charisma und Symbolkraft haben als diejenige Barnards, aber genauso viel Gutes bringen wie die seine, da sie gefährdeten und schwer behinderten Kindern in ihrem Leben helfen.

Das Rattern des Motors, ähnlich einem Wiegenlied, zwang meinen Geist wieder in die Knie und ich schlummerte erneut ein.

Gegen 15.30 Uhr kamen wir in Siem Reap an. Es war 32 Grad und schwül. Das Freiburger Flachland befand sich in weiter Ferne. Der lokale Chirurg Ladin erwartete uns am Flughafen. Auf dem Weg zum Hotel zählte er uns bereits die Fälle auf, die uns erwarteten und unterbreitete uns stolz seine Jahresbilanz. Seit Januar haben sie zwischen 250 und 280 Eingriffe vorgenommen, d. h. durchschnittlich 6 bis 7 pro Woche.

Arrivée à Siem Reap. La neige n’est plus qu’un vague souvenir.

Ankunft in Siem Reap. Drückende Hitze. Der Schnee bleibt nur noch in flüchtiger Erinnerung.

Ich weiss, dass sie seit einigen Jahren auf diesem hohen Kurs fahren und auch, dass sie dabei die eher leichten oder mittelschweren Fälle absahnen. Diese Tendenz hat sich in den letzten Jahren abgezeichnet und wird sich noch zuspitzen, denn die verbleibenden Operationen sind jetzt oft von grösster Schwierigkeit und liegen ganz in unserer Verantwortung, sowohl bezüglich der Beurteilung der Fälle als auch bezüglich therapeutischer Möglichkeiten.

Wir assen dann noch schnell etwas in der Stadt, bevor wir uns einquartierten, um uns von der kurzen Nacht zu erholen. Morgen früh wird der Appell auf 6.30 Uhr gesetzt, damit wir um 7 Uhr zum Bericht der Nachtwache anwesend sind.

Dieses Jahr besteht unser Team aus:

Drei Ärzten
Vier Pflegefachpersonen
Einem Kardiotechniker
Zwei Ehrenamtlichen[1], von denen einer sich um das Logistische kümmert; der andere, Patrick, ist Pressezeichner. Er wird unsere Mission mit seinen Zeichnungen und Aquarellen illustratorisch dokumentieren.

Une rue de Siam Reap

Eine Strasse in Siem Reap

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[1] Diese werden von der Stiftung nicht entschädigt.