Blog prof. René Prêtre

Dez 09 2017

Mission Kambodscha 2017, 9. Dezember

Post by René Prêtre

Dez 09 2017

Samstag, 9. Dezember

Die Mission neigt sich langsam dem Ende zu.
Normalerweise treffe ich mich an diesem Punkt mit Beat zum Kaffee (d. h. es war eigentlich immer ein Glas Wasser) und zur Bilanzziehung. In den immer sehr herzlichen Unterhaltungen ging es natürlich auch um ganz viele andere Themen und meist verabschiedete ich mich erst nach über einer Stunde wieder.

L’accueil triomphal qui, comme chaque année, nous avait été fait. A ma gauche, Prof Chatana qui a repris avec maestria les rennes de l’hôpital Khanta Bopha.

Wie jedes Jahr wurde uns ein überwältigender Empfang bereitet. Links, Prof. Chatana, der das Spital Khanta Bopha mit Bravour in die Hand genommen hat.

Letztes Jahr spürte ich beim Abschied einen Hauch Wehmut in seinen Augen und in seiner Stimme, als ob er meine Abreise bedauerte, als ob er mich etwas darum beneidete, dass ich in die Schweiz zurückkehren konnte. Dieses Jahr begleitet uns die Erinnerung an seine wohlwollende Persönlichkeit durch Kantha Bopha, aber seine väterliche Präsenz im Spital und seine unangemeldeten Besuche auf der Intensivstation haben uns gefehlt.

Glücklicherweise aber ist Kantha Bopha bei bester Gesundheit – und hat noch immer dieselbe Lebenskraft.

Khanta Bopha vu d’en haut.

Kantha Bopha aus der Vogelperspektive.

Professor Chatana, der stets treu an Beats Seite gestanden hat, ist nun in seine Fussstapfen getreten und führt dieses riesige Spital mit seiner riesigen Belegschaft meisterhaft. Er weiss die nötige Autorität, die es für den Betrieb einer solchen Megastruktur braucht, mit einer gewissen Flexibilität zu verbinden, dank der er den Mitarbeitenden Vertrauen entgegenbringt und ihnen gewisse Freiheiten überlässt.

Visite de l’hôpital avec Prof Chatana (chemise blanche), le maître des lieux.

Spitalbesuch mit dem «Hausherrn» Prof. Chatana (im weissen Hemd).

Um sich bei uns zu bedanken, hat er uns am Samstagmorgen mit einer Führung durch das Spital belohnt. Ich war zu müde um daran teilzunehmen, umso mehr, da ich bereits mehrmals das Privileg hatte, an einer solchen Führung mit Beat teilzunehmen. Mein Team war anwesend und äusserst beeindruckt – sowohl von der Herzlichkeit als auch von den Zahlen – Zahlen, bei denen jeder Direktor bei uns vor Neid erblassen würde – und nicht zuletzt von der Effizienz aller Teams. Stellen Sie sich vor, nur so von wegen Zahlen: Jeden Tag finden im Mutter-Kind-Spital Kantha Bopha 70 bis 100 Geburten statt.

Avec Ladin.

Mit Ladin.

Mein Kardiologen-Hirn hat sofort angefangen zu rechnen: Geht man von einer zu operierenden Herz-Fehlbildung pro 200 Geburten aus, bedeutet das, jeden dritten Tag kommt ein Kind mit einem Herzproblem zur Welt, das Ladin und sein Team korrigieren müssen. (Und hierbei sind diejenigen Kinder nicht miteingeschlossen, die von aussen kommen oder erst später eine rheumatische Erkrankung bekommen – ein Fluch in den im Wachstum begriffenen Ländern.) Das Kardiologie-Team wird so schnell jedenfalls nicht arbeitslos.

Um ca. 10 Uhr bin ich auf die Intensivstation zurückgekehrt und habe dieses wunderbare lokale Team angetroffen, das immer zur Verfügung steht, um zu helfen, unsere Ratschläge zu befolgen und zu lernen. Was ich hier immer äusserst schätze, ist die Herzlichkeit und die gute Laune des Personals – und dies auf jedem Niveau, vom Pflegepersonal über die Administration bis zu den Ärztinnen und Ärzten.

L’équipe du bloc, infiltrée par quelques Suisses …

Das Block-Team, hier mit ein paar Schweizerinnen und Schweizern …

Eine ganze Armee an lächelnden Gesichtern und gefalteten Händen, die mich hier immer begleiten – so übrigens auch bei unserer erfolgreichen Aktion von letzter Nacht. Unser «Held» (das «drainierte» Kind), war hellwach, ohne sichtbare Schmerzen, und ich kann Ihnen versichern, er war nicht der einzige unter uns, der quietschvergnügt war. Er hat tatsächlich keine Ahnung von dem Stress und den Ängsten, die er bei uns hervorgerufen hatte. Seine Ruhe steht dermassen im Gegensatz zu dem wilden Gehetze im OP – das Geschehene scheint fast etwas surreal. Jedes Mal, wenn ich den Kopf in seine Richtung drehte, dankte mir seine an seinem Bett sitzende Mutter mit einer Verbeugung und mit gefalteten Händen. Wurde sie über den Wettlauf gegen die Zeit aufgeklärt oder ging es hierbei einfach um eine Anerkennung dafür, dass wir ihr Kind operiert haben? Der Austausch mit den grösseren Kindern und den Eltern ist aber immer ziemlich frustrierend. Oft ist nur eine geringe oder gar keine Schulbildung vorhanden und sie beherrschen keine zweite Sprache. Und was unsere Khmer-Kenntnisse angeht … Allerdings spielt sich die Basiskommunikation nicht in der gesprochenen Sprache ab. Es sind die Blicke, die Gesichtsausdrücke, die einfachen Gesten, die wahrheitsgetreu die Gefühle ausdrücken.

L’équipe (partielle) des soins intensifs, aussi infiltrée.

Ein Teil des Intensivpflegeteams, ebenfalls durchmischt.

Uns bleiben noch unzählige kleine Handgriffe, bevor wir die Intensivpflege wieder dem kambodschanischen Team übergeben. Bei einem Kind muss noch der Thorax drainiert werden, ein anderes kann vom Beatmungsgerät getrennt werden, wie jeden Tag müssen noch die Medikamente angepasst werden, hier und dort fehlen noch eine Echokardiographie, um sicher zu gehen, dass alles auf seinem normalen Kurs bleibt. Dies alles beansprucht einen ganzen Morgen sowie einen Teil des Nachmittags, um der Einheit noch den letzten Schliff zu geben. Aber einmal «geschliffen» ist sie einfach nur wunderschön, diese Abteilung! 2017 wird ein schöner Jahrgang!

Patrick, déguisé, en pleine action.

Patrick, verkleidet, in seinem Element.

Es stimmt, diese Mission war sehr anstrengend, aber gleichzeitig auch wundervoll. Insbesondere aufgrund des Schwierigkeitsgrads der vorgenommenen Operationen und ihrer dennoch reibungslosen Abläufe, aber auch wegen der guten Stimmung, die stets dominiert hat. Dank sei all den Menschen in Kantha Bopha und diesem tollen Team, das mich begleitet hat.

Am Abend sind wir erneut in ein Restaurant gegangen, das von einem Verein geführt wird, der sich für Strassenkinder einsetzt. Das Essen war gut, die Stimmung noch besser. Mit den Unverwüstlichen haben wir bis nach Mitternacht durchgehalten.

In den letzten Tagen habe ich ein paar Mal den Begriff «Disco» aufgeschnappt, die Krönung der Mission sozusagen, vor der ich mich richtiggehend fürchtete, andere einen Besuch dort aber gerne als Tradition der Mission einführen würden. Das schicksalshafte Wort ist aber nicht mehr gefallen – bei meinen vor Müdigkeit bleiernen Beinen durfte dies auch einfach nicht sein.

Morgen treten wir die lange Heimreise über Bangkok an, und wie es aussieht, wird uns Zürich mit Schnee willkommen heissen. Ab Montag wird dann die Arbeit wieder aufgenommen. Wir erleiden jeweils einen leichten Schock, wenn wir von diesen Missionen zurückkehren. Einerseits ein wenig wegen des Kulturunterschieds, andererseits – und dies ist der grössere Schock – wegen dem Unterschied bezüglich der zur Verfügung stehenden Mittel.

Ich vermute, auch diesmal werden wir wieder einen Schock erleiden.

Und nicht nur einen temperaturbedingten.

Siem Reap, Kambodscha, 9. und 10. Dezember 2017

 

Schlussbilanz der «Mission Kambodscha 2017»

Herzoperationen 10
Herzkatheterisierungen 19
Total «geheilter» Kinder 24